- zentralasiatische Kunst
- zentral|asiatische Kunst,zusammenfassende Bezeichnung für die Kunst Zentralasiens, Nordostafghanistans (Baktriens) sowie des westlich des Tarimbeckens gelegenen Mittelasien, das im internationalen archäologischen Sprachgebrauch in der Regel zu Zentralasien zählt, in vorislamischer Zeit; traditionell auch »Kunst von West- und Ostturkestan« genannt. Gesonderte Betrachtung erfahren in der Regel die tibetische Kunst, die nepalesische Kunst, auch die Kunst der Xiongnu, belegt u. a. in Noin Ula und den Ordosbronzen, und die der Mongolen sowie, in Mittelasien, die parthische Kunst mit wichtigen Fundstätten in Turkmenistan (z. B. Nisa) und am mittleren Amudarja die sogdische Kunst.Mittelasien besaß nach archäologischen Zeugnissen in der Bronzezeit (und früher) lebhafte Handelsbeziehungen vom Kopet-Dag (Namasga-Tepe und Altyn-Tepe, beide bei Aschchabad in Turkmenistan) nach Süd- (Mundigak) und Nordostafghanistan (Shortugai). Von Iran wie von Afghanistan (Baktrien) und Indien gingen zu allen Zeiten auf ganz Zentralasien wichtige kulturelle Einflüsse aus, dazu kamen regional die der skythischen Kunst (Oxusschatz), im Osten die von China und Tibet. Im frühen 1. Jahrtausend n. Chr. verbreitete sich der Buddhismus in Mittel- und Zentralasien über Gandhara (Bamian und Fondukistan) und Mathura sowie über Ladakh (Karakorumpass) mitsamt den stilistischen Elementen der vom Hellenismus ausgehenden Kunstblüte dieser Regionen. Die Kunstentwicklung wurde auch als Kunst der Seidenstraße in West- und Ostturkestan bekannt. Im Tarimbecken an der südlichen Route (Hotan) besaßen die Saken im 2. Jahrhundert n. Chr. Handelskontakte bis nach China, andererseits nach Mittelasien und zum Reich Charism; zwischen Hotan und Baktrien vermittelten im 1.-3. Jahrhundert die Kushana. Außerdem stellten, nach literarischen Zeugnissen, im 1.-3. Jahrhundert n. Chr. die indogermanische Serer (in chinesischen Quellen Wusun genannt) im Siebenstromland (Mittelasien) wichtige Zwischenhändler dar. An der nördlichen Umgehung des Tarimbeckens waren die Tocharer in Kuqa seit dem 2. Jahrhundert und seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. in der Turfanoase Händler zwischen China und im Westen Baktrien sowie der Sogdiana.Auf den Handelsstraßen konnten sich seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. die unterschiedlichsten religiös-kulturellen Strömungen und künstlerische Stile verbreiten und mischen: iranische, indische, hellenistische, chinesische, tibetanische und (seit dem 5. Jahrhundert) türkische, wie Ausgrabungen belegen. In Mittelasien wurden neben Zeugnissen höfischer Baukunst buddhistische Tempelanlagen gefunden, Wandmalerei und Tonplastik (zum Teil mit Stuck überzogen) fanden sich an kushanazeitlichen Plätzen wie Dalwersin, Karatepe (Termes), mit den wohl frühesten Umgangstempeln, Chaltschajan, Toprak-kala und den sogdischen Plätzen wie Adschina-Tepe, Marakanda (heute Samarkand-Afrasiab), Pendschikent und Warachscha. So entwickelte sich die Kunst hier aus der vorherrschenden Kultur der Kushana im 1.-3. Jahrhundert mit den in Baktrien herausgebildeten Charakteristika und aus ererbten lokalen Traditionen. Im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. gingen in Mittelasien (damals Teil des Hunnenreiches) viele Städte zugrunde.Die Kunst Ostturkestans (heute Teil des autonomen Gebiets Sinkiang) ist v. a. die Kunst der Höhlentempel und Klöster. Sie umfasst auf stucküberzogenen Lehmwänden ausgeführte Wandmalereien, plastische Figuren aus stucküberzogenem Lehm, Holz sowie Bronze, Malereien auf Stoff, Holz und Papier. Die ältesten Objekte stammen aus dem 2./3. Jahrhundert, die jüngsten aus dem Anfang des 2. Jahrtausends n. Chr.; der Höhepunkt lag zwischen 500 und 950. Die ältesten buddhistischen Wandmalereien stammen aus Miran, an der Süd-Route, der andere wichtige Fundort, weiter westlich an der südlichen Seidenstraße, ist Hotan mit den Klöstern in der Umgebung (z. B. Rawak). Im Bereich der nördlichen Seidenstraße heben sich zwei Kunstkreise deutlich voneinander ab: ein westlicher, älterer (etwa 500-700) in Kuqa und Umgebung (z. B. Kizil mit 236 buddhistischen Höhlen) und ein östlicher, jüngerer (etwa 650-950) im Oasengebiet von Turfan. Die Kunst von Kuqa zeigt enge Verwandtschaft mit der Kunst der Sogdiana, es gibt indische und iranische Einflüsse; ostasiatische Elemente, die in den Turfan-Wandmalereien dominieren, fehlen. Die älteste Malerei im Kuqagebiet wird anhand des Schriftcharakters einer Inschrift in der »Malerhöhle« in die Zeit um 500 datiert und aufgrund verschiedener übereinstimmender Stilkriterien als 1. indoiranischen Stil bezeichnet (fein abgestufte gleichartige erdfarbene Farbtöne mit Grün als einziger Kontrastfarbe; auf den Grundton abgestimmte Konturierung). Diese Stilart entwickelte sich über Zwischenstadien zum 2. indoiranischen Stil (600-700), der sich durch stark kontrastierende Farben und das leuchtende Lapislazuliblau auszeichnet. In einem anderen Ort der Kuqaoase, in Kumtura, wurden auch Wandbilder buddhistisch-chinesischen Stils gefunden, der in dem Gebiet um Turfan vorherrschte; Qocho und Bezeklik mit den Tausend-Buddha-Höhlen in der Murtuqschlucht sind hierfür die bedeutendsten Fundorte. Diese Malereien der uigurischen Periode (ab Mitte 9. Jahrhundert) sind als Beispiele der berühmten chinesischen Malerei der Tangzeit besonders beachtlich. Doch ist unter ihnen eine Anzahl von Bildern nichtbuddhistischen Inhalts, da die uigurischen Herrscher von Qocho im Unterschied zur Bevölkerung Anhänger des Manichäismus waren. Die größte Gruppe bilden manichäische Buchminiaturen im chinesischen beziehungsweise im türkisch-chinesischen Stil. Außerdem hinterließ das Christentum nestorianischer Prägung in der Kunst von Turfan seine Spuren. Der buddhistisch-chinesische Stil der Turfanoase leitet über zur buddhistischen Höhlenkunst von Dunhuang, mit der die Grenze zur rein chinesischer Kunst überschritten wird. Das Schicksal dieser Höhlentempel ist charakteristisch für viele Kulturoasen der Wüste, die während der Islamisierung (11.-15. Jahrhundert) versanken. Die Tempel wurden von flüchtenden Buddhisten zugemauert und blieben für die buddhistischen Nomaden der Umgebung ein mit verborgenen Einstiegslöchern versehenes heimliches Pilgerziel, bis Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts Europäer sie entdeckten. Funde der Expeditionen nach Turfan besitzt v. a. das Museum für Indische Kunst in Berlin.Einflüsse der Kunst von Turfan finden sich neben tibetanischen und chinesischen Elementen in der Kunst der Tanguten im Reich Xixia, die im 11. und 12. Jahrhundert ihre Blüte erreichte. Die wichtigsten Fundstätten sind Chara-choto (chinesisch Hala haote, Provinz Gansu; 1907-08 entdeckt durch P. K. Koslow; Funde heute in der Eremitage in Sankt Petersburg) und die Gegend von Yinchuan, wo die Hauptstadt von Xixia lag. Erhalten haben sich Rollbilder und Fresken teils buddhistischen, teils weltlichen Charakters (Porträts). Die Ruinen der Grabstupas bei Yinchuan weisen auf Vorbilder aus der Turfanoase, während die Plastik (aus Lehm oder Stein) Parallelen zu Nordchina zeigt. Hoch entwickelt war die tangutische Buchkunst (Holzplattendrucke mit Illustrationen im tibetanischen Stil).A. von Le Coq u. E. Waldschmidt: Die buddhist. Spätantike in Mittelasien, 7 Bde. (1922-23, Nachdr. Graz 1973-75);E. Waldschmidt: Gandhara, Kutscha, Turfan. Eine Einf. in die frühmittelalterl. Kunst Zentralasiens (1925);M. Bussagli: Die Malerei in Zentralasien (a. d. Ital., Genf 1963);B. Rowland: Zentralasien (a. d. Engl., 1970, Nachdr. 1979);G. Gropp: Archäolog. Funde aus Khotan, Chinesisch-Ostturkestan (1974);H. G. Franz: Von Gandhara bis Pajan. Kultbauten des Buddhismus u. Hinduismus in Süd- u. Zentralasien (Graz 1979);H. Härtel u. M. Yaldiz: Die Seidenstraße. Malereien u. Plastiken aus buddhist. Höhlentempeln, Ausst.-Kat. (1987);E. Knobloch: Turkestan, Taschkent, Buchara, Samarkand. Reisen zu den Kulturstätten Mittelasiens (a. d. Engl., 31987);Kunst des Buddhismus entlang der Seidenstraßen, bearb. v. B. J. Richtsfeld, Ausst.-Kat. (1992);Teppiche der Völker Mittelasiens im späten 19. u. frühen 20. Jh., bearb. v. V. G. Moschkowa (a. d. Russ., 1998).Weitere Literatur: Gandharakunst, Kushanakunst, Seidenstraßen, sogdische Kunst.Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:tibetische religiöse Kunst
Universal-Lexikon. 2012.